BFH V. Senat
UStG § 14 Abs 2 S 2 , UStG § 14 Abs 4 , UStG § 15 Abs 1 S 1 Nr 1 S 2 , UStDV § 31 Abs 5 , EWGRL 388/77 Art 18 Abs 1 , EWGRL 388/77 Art 22 Abs 3 , AEUV Art 267 , UStG VZ 2005 , UStG § 14 Abs 4 S 1 Nr 5
vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg , 24. Mai 2017, Az: 1 K 605/17
Leitsätze
Ein Abrechnungsdokument ist keine Rechnung und kann deshalb auch nicht mit der Folge einer Ausübungsvoraussetzung für den Vorsteuerabzug rückwirkend berichtigt werden, wenn es wegen ganz allgemein gehaltener Angaben (hier "Produktverkäufe") nicht möglich ist, die abgerechnete Leistung eindeutig und leicht nachprüfbar festzustellen.
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 24.05.2017 - 1 K 605/17 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) im Jahr 2005 (Streitjahr) die Vorsteuer aus einer Credit Note (Gutschrift) in Höhe von 33,44 € abziehen kann.
Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft, die u.a. in den elektronischen Vertrieb von Software eingebunden ist. Hierzu betreibt sie einen Onlineshop für verschiedene Softwarehersteller. Der Kunde schließt über den Onlineshop einen Kaufvertrag unmittelbar mit der Klägerin ab, die wiederum die Software bei dem Softwarehersteller einkauft.
Im November 2005 erwarb die Klägerin von der X-GmbH (Verlag) Standardsoftware und rechnete darüber mit der Credit Note vom 07.12.2005 ab. Darin fehlten Angaben zur Steuernummer und zur Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.) des Verlags. Der Gegenstand der Abrechnung war mit "Transfer Sum November 2005" beschrieben. Zusammen mit der Credit Note übermittelte die Klägerin einen "Accounting Report", in dem unter "Sales Products" (Produktverkäufe) die Nettoumsätze aus den verkauften Software-Produkten in einer Summe zusammengefasst dargestellt waren; darauf wurde der Steuersatz "16 %" angewendet und als Ergebnis der "Rechnungsbetrag brutto" angegeben. Die Klägerin übermittelte die Credit Note und den Accounting Report an den Verlag per E-Mail ohne elektronische Signatur.
In ihrer Umsatzsteuererklärung 2005 vom 30.03.2007 zog die Klägerin die Mehrwertsteuer aus der Credit Note in Höhe von 33,44 € als Vorsteuer ab.
Im Nachgang zu einer betriebsinternen Prüfung übermittelte die Klägerin dem Verlag die Credit Note mit Begleitschreiben vom 26.04.2011 erneut, nunmehr in Papierform. Beigelegt waren ein Blatt mit der Angabe der Steuernummer des Verlags sowie eine Auflistung der von dem Verlag erworbenen Software.
Hierauf gab die Klägerin am 28.06.2011 eine berichtigte Umsatzsteuererklärung 2005 ab, in der sie aus der streitgegenständlichen Credit Note keine Vorsteuern mehr geltend machte. Gegen diese --als Vorbehaltsfestsetzung wirkende Steuererklärung-- legte sie am 13.07.2011 Einspruch ein, mit dem sie eine auf das Streitjahr rückwirkende Berichtigung der Credit Note geltend machte.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 27.10.2014 als unbegründet zurück.
Der hiergegen gerichteten Klage gab das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2018, 244 veröffentlichten Urteil statt. Zwar sei die Credit Note vom 07.12.2005 insoweit unvollständig gewesen, als die Steuernummer oder die USt-IdNr. des leistenden Unternehmers fehlten und auch die Leistungsbeschreibung nicht hinreichend genau gewesen sei.
Die fehlende Angabe (Steuernummer oder USt-IdNr.) sowie die ungenaue Leistungsbeschreibung habe die Klägerin jedoch mit Rückwirkung auf das Streitjahr berichtigen können, da ihrem Schreiben vom 26.04.2011 eine Auflistung der verkauften Software beigefügt gewesen sei. Die Credit Note vom 07.12.2005 sei berichtigungsfähig gewesen, da die Beschreibungen in der Credit Note und dem beiliegenden Accounting Report --unter Berücksichtigung des auch dem FA bekannten Umstands, dass die Klägerin den Onlineshop des Verlags betrieb-- nicht in so hohem Maße unbestimmt, unvollständig oder offensichtlich unzutreffend seien, dass sie fehlenden Angaben gleichstünden. Dem Vorsteuerabzug im Streitjahr stehe auch nicht entgegen, dass die Credit Note vom 07.12.2005 per E-Mail ohne elektronische Signatur übermittelt wurde.
Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision, mit der es die Verletzung materiellen Rechts rügt.
Das FG habe verkannt, dass § 15 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) auf den § 14 UStG insgesamt verweise, weshalb auch die Anforderungen des § 14 Abs. 3 UStG a.F. Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug aufstellten. Nach der Systematik des § 14 UStG sei die elektronische Signatur eine unabweisliche Voraussetzung für den Vorsteuerabzug gewesen. Im Übrigen reiche die Leistungsbeschreibung der ursprünglichen Credit Note nicht aus, um die Anforderungen an eine berichtigungsfähige Rechnung zu erfüllen.
Das FA beantragt,
das Urteil des FG Baden-Württemberg vom 24.05.2017 - 1 K 605/17 aufzuheben und die Klage abzuweisen.Die Klägerin beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen,
hilfsweise beantragt die Klägerin,
das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die Frage vorzulegen, ob nach der im Streitjahr geltenden Fassung der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) der Vorsteuerabzug im Jahr der ersten Rechnungsausstellung im Gutschriftsverfahren und Zahlung und des Vorliegens aller materiellen Voraussetzungen für den sofortigen Vorsteuerabzug allein deshalb versagt werden kann, weil der Steuerpflichtige die ihm vorliegende ordnungsgemäß ausgestellte Gutschrift nicht mittels qualifizierter elektronischer Signatur, sondern in einfacher elektronischer Form, übermittelt hat, und der Mitgliedstaat nicht von dem Recht Gebrauch gemacht hat, eine Übermittlung in einfacher elektronischer Form zuzulassen. Wenn ja, darf dies auch dann erfolgen, wenn wegen der Anwendung des Gutschriftsverfahrens weder Bedenken an der Unversehrtheit des Inhalts noch an der Echtheit der Herkunft bestehen können?
Zur Begründung führt die Klägerin aus, das FG habe die Frage der Zulässigkeit der rückwirkenden Rechnungsberichtigung bei fehlender digitaler Signatur zutreffend bejaht. Auch die Berichtigungsfähigkeit der Leistungsbeschreibung habe das FG zu Recht bejaht. Im Übrigen habe der EuGH in der Rechtssache "Barlis 06" vom 15.09.2016 - C-516/14 (EU:C:2016:690, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2016, 1031) entschieden, dass der Vorsteuerabzug aus einer Rechnung trotz formeller Mängel zu gewähren sei, wenn die Steuerbehörde über alle notwendigen Informationen verfügt.
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