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Hinweis: Der Beitrag kann aufgrund neuerer Rechtsprechung oder Gesetztesänderung nicht mehr dem aktuellen Rechtsstand entsprechen.
5 Minuten Lesezeit (1042 Worte)

Hinzuschätzungen nach einer Betriebsprüfung bei einer Kapitalgesellschaft

Das Finanzgericht Münster hatte sich mit Urteil vom 18.05.2022 (10 K 261/17) zur Schätzungsbefugnis des Finanzamtes bei unklarer Mittelherkunft von Einlagen des Gesellschafters geäußert.

In der Urteilsbegründung stellte der Senat dar, dass eine im Rahmen einer Betriebsprüfung einer Kapitalgesellschaft durchgeführte Geldverkehrsrechnung beim Gesellschafter-Geschäftsführer keine Schätzungsbefugnis möglich macht, um ungeklärte Vermögenszuwächse bei der Kapitalgesellschaft festzustellen.

Wenn ein Gesellschafter-Geschäftsführer die Herkunft der bei ihm festgestellten ungeklärten Vermögenszuwächse nicht aufklärt, darf dies i.d.R. keine nachteiligen Schlüsse zu Lasten der Kapitalgesellschaft zulassen.

Zwar stellt die Bargeldverkehrsrechnung im Grundsatz eine geeignete Verprobungsmethode dar, um die sachliche Richtigkeit auch einer formell ordnungsgemäßen Buchführung zu prüfen und ggf. ungeklärte Einnahmen aufzudecken. Es handelt sich hierbei um eine Ausgaben-Deckungsrechnung, in der die Barausgaben des Steuerpflichtigen seinen bekannten Barmittel gegenübergestellt werden, die ihm zur Verfügung standen, um seine Lebenshaltungskosten (private Geldanlage, privater Konsum) zu bestreiten. 

Soweit der Steuerpflichtige höhere Barausgaben tätigt, als ihm aus den bekannten und vorhandenen Mitteln möglich ist, muss er den Unterdeckungsbetrag zwangsläufig aus anderen Quellen bezogen haben. Dem Steuerpflichtigen obliegt es dann im Rahmen seiner Mitwirkungspflichten, darzulegen und nachzuweisen, dass diese ungeklärten weiteren Geldmittel nicht aus bislang nicht erfassten Betriebseinnahmen, sondern aus anderen steuerlich nicht relevanten Quellen stammen. Andernfalls ist der Schluss auf solche bislang nicht erfassten Betriebseinnahmen gerechtfertigt.

Diese Grundsätze sind aber auf Fälle, bei denen nicht bei der Kapitalgesellschaft selbst, sondern beim Gesellschafter-Geschäftsführer – etwa aufgrund einer bei diesem durchgeführten Bargeldverkehrsrechnung – ungeklärte Vermögenszuwächse festgestellt werden, nicht ohne weiteres übertragbar. Nach der Rechtsprechung des BFH kann in dieser Konstellation alleine aufgrund der beim Gesellschafter-Geschäftsführer festgestellten ungeklärten Vermögenszuwächse nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, dass die Kapitalgesellschaft entsprechende bislang nicht erfasste Betriebseinnahmen erzielt hat.

Hinzu kommt, dass daraus, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer die Herkunft der bei ihm festgestellten ungeklärten Vermögenszuwächse nicht aufklärt und dadurch seine steuerlichen Mitwirkungspflichten verletzt, regelmäßig keine nachteiligen Schlüsse zu Lasten der Kapitalgesellschaft gezogen werden können.

Grundsätzlich sind die Buchführung und die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entsprechen, der Besteuerung zugrunde zu legen, soweit nach den Umständen des Einzelfalls kein Anlass besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden. Für die Prüfung der formellen Ordnungsmäßigkeit der Buchführung ist das Gesamtbild aller Umstände des Einzelfalls maßgebend.

Formelle Buchführungsmängel berechtigen nur zur Schätzung, soweit sie Anlass geben, die sachliche Richtigkeit des Buchführungsergebnisses anzuzweifeln. Nach ständiger Rechtsprechung erfordert eine ordnungsgemäße Buchführung, dass sämtliche Geschäftsvorfälle nach der zeitlichen Reihenfolge und mit ihrem richtigen und erkennbaren Inhalt festgehalten werden. 

Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sollen täglich festgehalten werden. Für die Bargeschäfte werden dabei an den Begriff „zeitgerecht" höhere Anforderungen gestellt als für die übrige Buchführung. Hierdurch wird versucht, im sensiblen Bereich der Abwicklung von Vorgängen, die Bewegungen von Bargeld einschließen, ein dichtes Kontrollgefüge einzurichten. 

Werden die Bareinnahmen in einer sog. offenen Ladenkasse erfasst, erfordert dies einen täglichen Kassenbericht, über den die tatsächlich in bar getätigten Einnahmen und Ausgaben dokumentiert werden und der auf der Grundlage eines tatsächlichen Auszählens der Bareinnahmen erstellt worden ist. Durch den Kassenbericht werden danach die baren Tageseinnahmen (sog. Tageslosung) unter Rückrechnung des ausgezählten Kassenendbestandes ermittelt (sog. retrograde Berechnung). Dabei ist kein „Zählprotokoll" erforderlich. Erforderlich aber auch ausreichend ist ein Kassenbericht, der auf der Grundlage eines tatsächlichen Auszählens erstellt worden ist.

Dieser muss im Fall einer offenen Ladenkasse so beschaffen sein, dass es einem Buchsachverständigen zumindest am Beginn und am Ende jedes Geschäftstages möglich ist, den durch Kassensturz festgestellten Ist-Bestand anhand der Kassenaufzeichnungen zu überprüfen.

Ermöglichen die Kassenaufzeichnungen einen solchen Vergleich des Soll-Bestands laut Aufzeichnungen mit dem Ist-Bestand der Kasse nicht, fehlt es jedenfalls insoweit an der formellen Ordnungsmäßigkeit der Buchführung.

Darüber hinaus verlangt § 147 Abs. 1 AO die geordnete Aufbewahrung von Unterlagen. Diese Aufbewahrungspflicht ist akzessorisch und setzt eine Aufzeichnungspflicht voraus. 

Die Aufbewahrung von Einnahmeursprungsaufzeichnungen ist nicht erforderlich, wenn deren Inhalt unmittelbar nach Auszählung der Tageskasse in das in Form aneinandergereihter Tageskassenberichte geführte Kassenbuch übertragen wird

Das Fehlen täglicher Protokolle über das Auszählen einer offenen Ladenkasse steht in seinen Auswirkungen auf die Beurteilung der formellen Ordnungsmäßigkeit der Buchführung und der Eröffnung der Schätzungsbefugnis dem Fehlen von Tagesendsummenbons bei einer Registrierkasse bzw. dem Fehlen der Programmierprotokolle sowie weiterer Organisationsunterlagen der Registrierkasse gleich. 

In allen drei Fällen lässt der formelle Mangel zwar keinen sicheren Schluss auf die Verkürzung von Einnahmen zu. Gleichwohl gibt es systembedingt keine Gewähr mehr für die Vollständigkeit der Erfassung der Bareinnahmen, ohne dass eine nachträgliche Ergänzung der Dokumentation bzw. eine anderweitige Heilung des Mangels möglich wäre.

Maßgeblich für eine Hinzuschätzung ist somit, dass die Verletzung der formellen Ordnungsmäßigkeit der Kassenführung dazu führt, dass keine Gewähr mehr für die Vollständigkeit der Erfassung der Bareinnahmen geboten wird. Eine zusätzliche Feststellung materieller Buchführungsmängel ist in solchen Fällen für die Begründung einer Schätzungsbefugnis nicht erforderlich. 

Grundsätzlich ist es dem Buchführungspflichtigen frei gestellt, ob er ein Kassenbuch manuell oder mit Hilfe eines PCs erstellt. In beiden Fällen hat er die Grundsätze der zeitgerechten und geordneten Erfassung von Bareinnahmen zu beachten. Auch bei der Kassenführung mit Hilfe des PCs müssen daher die notwendigen Eingaben zeitgerecht i.S.d. § 146 Abs. 1 S. 2 AO erfolgen. 

Zudem ist bei der Erfassung mittels EDV-Systems eine tägliche Festschreibung der eingegebenen Daten erforderlich, d.h., eine Buchung oder Aufzeichnung darf nicht so verändert werden, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar ist (§ 146 Abs. 4 AO).
Entgegen der Auffassung der Klägerin erfüllt im Streitfall die Buchführung der Klägerin in Form des Datev-Kontos 1000 (Kasse) nicht die Anforderungen an ein (elektronisch geführtes) Kassenbuch. Die vorgenannte Buchführung der Klägerin ist bereits nicht hinreichend zeitgerecht geführt worden. Die Auswertung der dem Gericht übersandten Buchführungsunterlagen haben insoweit die Feststellungen der Bp bestätigt. Danach stimmen das Beleg-/Buchungsdatum der einzelnen Geschäftsvorfälle und das Erfassungsdatum in der Buchführung überwiegend nicht überein, sondern die Buchungen auf dem Kassenkonto sind von der Klägerin mit zum Teil erheblichen Verzögerungen vorgenommen worden.

Des Weiteren geht der Senat davon aus, dass es an der Unveränderbarkeit der auf dem o.g. Datev-Konto 1000 (Kasse) vorgenommenen Buchungen gefehlt hat, welche aber für ein elektronisch geführtes Kassenbuch erforderlich gewesen wären. Bei einer elektronischen Buchführung muss diese bzw. müssen die Datenträger gegen nachträgliche Einschiebungen, Veränderungen oder Löschungen gesichert werden und das Buchführungsprogramm Sicherungen und Sperren enthalten, die verhindern, dass einmal eingegebene Daten unsichtbar geändert werden können (sog. Festschreibung). Eine solche Festschreibung wäre auch die Voraussetzung, dass das Datev-Konto 1000 (Kasse) überhaupt als etwaiges elektronisches Kassenbuch in Frage kommen könnte.

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Sonntag, 28. April 2024

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