Eingabehilfen öffnen

Skip to main content

CPM Steuerberater News

Hinweis: Der Beitrag kann aufgrund neuerer Rechtsprechung oder Gesetztesänderung nicht mehr dem aktuellen Rechtsstand entsprechen.
6 Minuten Lesezeit (1134 Worte)

Leichtfertige Steuerverkürzung durch unterlassene Anzeige bei der Grunderwerbsteuer

Urteil vom 16. Mai 2023, II R 35/20 - Leichtfertige Steuerverkürzung durch unterlassene Anzeige bei der Grunderwerbsteuer

Der BFH hatte sich mit Urteil vom 16. Mai 2023 (II R 35/20) zur leichtfertigen Steuerverkürzung durch das Unterlassen einer Anzeige bei der Grunderwerbsteuer zu äußern.

In der Urteilsbegründung stellte der Senat dar, dass die grunderwerbsteuerrechtlichen Anzeigepflichten der Beteiligten und Notare objektiver Natur sind.

Die Prüfung der leichtfertigen Steuerverkürzung folgt auch im Rahmen der Festsetzungsverjährung materiell-rechtlich dem Ordnungswidrigkeitenrecht. Es gilt ein subjektiver Leichtfertigkeitsmaßstab.

Nach § 169 Abs. 1 Satz 1 AO ist eine Steuerfestsetzung nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Die Festsetzungsfrist beträgt für die Grunderwerbsteuer nach § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO grundsätzlich vier Jahre und verlängert sich nach § 169 Abs. 2 Satz 2 Alternative 2 AO auf fünf Jahre, soweit eine Steuer leichtfertig verkürzt worden ist. 

Gemäß § 170 Abs. 1 AO beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist. 

Die Grunderwerbsteuer entsteht außer in den Fällen des § 14 GrEStG gemäß § 38 AO grundsätzlich dann, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Dieser Tatbestand ist der jeweilige nach § 1 GrEStG steuerpflichtige Erwerbsvorgang.

Ist jedoch eine Anzeige zu erstatten, beginnt die Festsetzungsfrist gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist.

Hinweis:

Zu der Anzeigepflicht im Sinne des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO gehört auch die Anzeigepflicht der Beteiligten aus § 19 GrEStG. Für die Anzeigepflicht der Gerichte, Behörden und Notare aus § 18 GrEStG gilt § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO zwar nicht unmittelbar. Hat aber einer der Verpflichteten eine ordnungsgemäße Anzeige an das zuständige Finanzamt erstattet, so schiebt die Nichterfüllung der Anzeigepflicht des anderen Verpflichteten die Festsetzungsfrist nicht mehr hinaus.

Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 4 Satz 1 GrEStG müssen Steuerschuldner an das für die Besteuerung zuständige Finanzamt Anzeige über Geschäfte im Sinne von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erstatten.

Diese Pflicht besteht unabhängig davon, ob und inwieweit die Beteiligten wussten, dass der Rechtsvorgang der Grunderwerbsteuer unterliegt und insoweit eine Anzeigepflicht besteht. 

Die Anzeigepflicht ist objektiver Natur und besteht unabhängig von subjektiven Kenntnissen und Fähigkeiten des zur Anzeige Verpflichteten.

Nach § 18 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 GrEStG haben Notare innerhalb von zwei Wochen nach der Beurkundung dem zuständigen Finanzamt schriftlich Anzeige zu erstatten über von ihnen beurkundete Vorgänge, die die Übertragung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft betreffen, wenn zum Vermögen der Gesellschaft ein im Geltungsbereich des Grunderwerbsteuergesetzes liegendes Grundstück gehört.

Ob eine leichtfertige Steuerverkürzung im Sinne von § 169 Abs. 2 Satz 2 Alternative 2 AO vorliegt, bestimmt sich bei Prüfung der Festsetzungsverjährung nach § 378 AO (leichtfertige Steuerverkürzung), da § 169 AO diesbezüglich keine Legaldefinition enthält. 

Hängt die Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheids von der Verlängerung der Festsetzungsfrist auf fünf Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 2 Alternative 2 AO) und somit vom Vorliegen einer leichtfertigen Steuerverkürzung ab, müssen zur Rechtmäßigkeit des Bescheids die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale des § 378 AO erfüllt sein. 

Die im Steuerrecht vorkommenden Begriffe des Straf- beziehungsweise Ordnungswidrigkeitenrechts sind materiell-rechtlich wie im Straf- beziehungsweise Ordnungswidrigkeitenrecht zu beurteilen, jedoch nach den Verfahrensvorschriften der Abgabenordnung und der Finanzgerichtsordnung zu prüfen.

Nach § 378 Abs. 1 Satz 1 AO handelt ordnungswidrig, wer als Steuerpflichtiger oder bei Wahrnehmung der Angelegenheiten eines Steuerpflichtigen eine der in § 370 Abs. 1 AO bezeichneten Taten leichtfertig begeht. Dazu zählt , die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis zu lassen und dadurch Steuern zu verkürzen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO). 

Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie 

  • nicht, 
  • nicht in voller Höhe oder 
  • nicht rechtzeitig festgesetzt werden (§ 378 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 370 Abs. 4 Satz 1 AO). 


Wer einer Anzeigepflicht nicht nachkommt, lässt im Allgemeinen Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis und kann deshalb grundsätzlich eine leichtfertige Steuerverkürzung begehen. 

Hingegen ist der Notar im Hinblick auf die ihn treffende Anzeigepflicht aus § 18 GrEStG nicht tauglicher Täter einer leichtfertigen Steuerverkürzung. Er ist insoweit weder Steuerpflichtiger noch handelt er "bei Wahrnehmung der Angelegenheiten eines Steuerpflichtigen", da er mit der Anzeige nicht eine Pflicht des Steuerschuldners, sondern eine eigene dem Finanzamt gegenüber bestehende Pflicht erfüllt.

Leichtfertigkeit bedeutet einen erheblichen Grad an Fahrlässigkeit, der etwa der groben Fahrlässigkeit des bürgerlichen Rechts entspricht, im Gegensatz dazu aber auf die persönlichen Fähigkeiten des Täters abstellt.

Ein derartiges Verschulden liegt vor, wenn ein Steuerpflichtiger nach den Gegebenheiten des Einzelfalls und seinen individuellen Fähigkeiten in der Lage gewesen wäre, den aus den einschlägigen gesetzlichen Regelungen sich im konkreten Fall ergebenden Sorgfaltspflichten zu genügen.

Hierzu ist eine Gesamtbewertung des Verhaltens des Steuerpflichtigen erforderlich. Fehlen besondere persönliche Fähigkeiten im Bereich der betreffenden Steuern, handelt leichtfertig, wer die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den besonderen Umständen des Falles und seinen persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen verpflichtet und imstande ist, und dem sich deshalb aufdrängen muss, dass er dadurch Steuern verkürzt.

Hat der Steuerpflichtige die Finanzbehörde pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen, so ist bei der Prüfung, ob Leichtfertigkeit gegeben ist, zu berücksichtigen, dass es dem Steuerpflichtigen obliegt, sich bei rechtlichen Zweifeln über seine steuerlichen Pflichten einschließlich der an die Steuerpflicht anknüpfenden Verfahrenspflichten bei qualifizierten Auskunftspersonen zu erkundigen. 

Die Erkundigungspflichten beschränken sich nicht auf die Steuerpflicht einer Tätigkeit, sondern umfassen auch die an die Steuerpflicht anknüpfenden Verfahrenspflichten. Wer die Steuerpflicht seines Verhaltens kennt, ist umso mehr gehalten, sich um die damit verbundenen Erklärungs- und Anzeigepflichten zu kümmern.

Zu beachten sind auch Ausbildung, Tätigkeit und Stellung des Steuerpflichtigen. So sind an die Erkundigungspflichten bei Kaufleuten jedenfalls bei Rechtsgeschäften, die zu ihrer kaufmännischen Tätigkeit gehören, höhere Anforderungen zu stellen als bei anderen Steuerpflichtigen.

Das bedeutet allerdings nicht, dass für den Leichtfertigkeitsvorwurf nicht auf die persönlichen Fähigkeiten des Steuerpflichtigen im Bereich der betreffenden Steuern abzustellen wäre. Die Erfahrungstatsache, dass der Kaufmann regelmäßig weitergehende Fähigkeiten als der Nichtkaufmann besitzt, ist nur eine Ausprägung des Grundsatzes, dass auf die individuellen Fähigkeiten abzustellen ist. 

Er setzt voraus, dass die entsprechenden vermehrten Fähigkeiten und Kenntnisse, die ein Problembewusstsein für mögliche Pflichten schaffen und so erhöhte Erkundigungs- und Sorgfaltspflichten begründen, auch tatsächlich vorhanden sind. Der Umstand, dass der Steuerpflichtige über eine bestimmte formale Ausbildung oder Stellung verfügt, hat Indizwirkung, kann aber für sich genommen nicht die Leichtfertigkeit im Sinne des § 169 Abs. 2 Satz 2 Alternative 2 AO begründen. Auf die Frage, ob privates oder geschäftliches Handeln vorliegt, kommt es nach diesen Kriterien nicht an.

Stay Informed

When you subscribe to the blog, we will send you an e-mail when there are new updates on the site so you wouldn't miss them.

 

Kommentare

Derzeit gibt es keine Kommentare. Schreibe den ersten Kommentar!
Bereits registriert? Hier einloggen
Montag, 29. April 2024

Sicherheitscode (Captcha)