BFH III. Senat
GewStG § 9 Nr 1 S 2 , AO § 39 Abs 2 Nr 1 , AO § 41 Abs 1 , AO § 41 Abs 2 , BewG § 68 Abs 2 S 1 Nr 2 , BGB § 164 Abs 1 , BGB § 535 Abs 1 , GewStG VZ 2005 , GewStG VZ 2006 , GewStG VZ 2007 , AO § 39 Abs 1
vorgehend Hessisches Finanzgericht , 06. Dezember 2016, Az: 8 K 1064/13
Leitsätze
1. Sieht ein Vertrag über die Vermietung eines Grundstücks mit einem noch zu errichtenden Gebäude vor, dass die auf Betriebsvorrichtungen entfallenden Aufwendungen vom Mieter getragen und Betriebsvorrichtungen nicht mitvermietet werden sollen, ist nicht bereits dann eine für die Inanspruchnahme der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG schädliche Mitvermietung von Betriebsvorrichtungen anzunehmen, wenn bei einzelnen Betriebsvorrichtungen die darauf entfallenden Aufwendungen nicht herausgerechnet werden, sondern in die Herstellungskosten des Gebäudes eingehen.
2. Die Frage, ob Betriebsvorrichtungen Gegenstand eines Mietvertrags sind, ist nach zivilrechtlichen Kriterien zu beurteilen. Eine vom Wortlaut des Mietvertrags abweichende entgeltliche Nutzungsüberlassung kann anzunehmen sein, wenn sie auf eine Vertragsänderung zurückgeht. Haben die für die Vertragsparteien handelnden Personen hierfür nicht die Vertretungsmacht, so kann nach § 41 Abs. 1 Satz 1 AO eine schädliche Mitvermietung von Betriebsvorrichtungen vorliegen, wenn die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis einer solchen Mitvermietung gleichwohl eintreten und bestehen lassen.
3. Für die Annahme "eigenen" Grundbesitzes gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG genügt wirtschaftliches Eigentum.
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 06.12.2016 - 8 K 1064/13 aufgehoben.
Die Sache wird an das Hessische Finanzgericht zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.
Tatbestand
I.
Streitig ist die sog. erweiterte Kürzung für Grundstücksunternehmen.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, ist die Rechtsnachfolgerin der ... KG (KG). Sie ging durch Umwandlungsbeschluss vom 19.11.2004 mit Umwandlungsstichtag vom 31.08.2004 aus der KG hervor. Die KG erwarb durch Vertrag vom 12.12.2001 eine aus mehreren (Teil-)Grundstücken bestehende Fläche. Am selben Tag schloss sie mit der ... AG (AG) einen notariell beurkundeten "Miet- und Ankaufsvertrag", nach dessen Inhalt sich die KG dazu verpflichtete, auf dem Gelände auf eigene Rechnung ein ... Zentrum zu errichten und anschließend für 20 Jahre an die AG zu vermieten. Die jährlichen Mietzahlungen der AG sollten sich auf 7,072 % der Gesamtinvestitionskosten belaufen und zugleich Mieterdarlehen sein. Nach Ablauf der Mietzeit soll der AG das Recht zustehen, den Grundbesitz nebst Gebäuden zu einem angemessenen Preis anzukaufen; dabei sollen die Mieterdarlehen auf den Kaufpreis angerechnet werden. In dem Vertrag wurde auch geregelt, dass Mietobjekt der gesamte Grundbesitz nebst wesentlichen Bestandteilen sein sollte, nicht jedoch Zubehör und Betriebsvorrichtungen i.S. des § 68 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG). Betriebsvorrichtungen sollten nicht von der Vermieterin angeschafft und finanziert werden. Etwaige von der Mieterin eingebaute Betriebsvorrichtungen, die als wesentliche Bestandteile des Grundstücks zu beurteilen seien, sollten als vorbehaltenes wirtschaftliches Eigentum der Mieterin anzusehen sein.
Die KG errichtete das ... Zentrum nicht selbst; sie beauftragte vielmehr die AG mit der Errichtung. Die von der AG eingeschalteten Bauunternehmer erhielten den Werklohn nach Freigabe durch die AG direkt von der KG. Einzelne Rechnungen, die nach Ansicht der KG Betriebsvorrichtungen betrafen, sandte sie an die AG zurück, damit diese unmittelbar mit dem Bauunternehmen abrechne. Im August 2003 vereinbarten Mitarbeiter der KG und der AG mündlich, dass die AG von der KG verauslagte Kosten für Betriebsvorrichtungen übernehmen sollte und die AG auch unmittelbare wirtschaftliche Eigentümerin der Betriebsvorrichtungen und Mobilien werden sollte. In einem Schreiben vom 04.12.2003 bezifferte die KG die Höhe der noch abzurechnenden Aufwendungen für Betriebsvorrichtungen auf 378.000 €, in einem Schreiben vom 26.02.2004 auf 404.347,25 €. In der Folgezeit wurden Aufwendungen, die auf noch nicht abgerechnete Betriebsvorrichtungen entfielen, nicht aus den Gesamtinvestitionskosten von 16.361.340,20 € (Grundstück) und 28.121.053,47 € (Gebäude), welche die Bemessungsgrundlage für die ab 01.01.2004 zu leistenden Mietzahlungen bildeten, herausgerechnet. Die insoweit nicht geminderten Investitionskosten fanden Eingang in die Jahresabschlüsse der KG und der Klägerin.
Die Klägerin machte in den Gewerbesteuererklärungen für die Jahre 2004 bis 2007 (Streitjahre) die erweiterte Kürzung für Grundstücksunternehmen nach § 9 Nr. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) folgte dem zunächst und erließ entsprechende Gewerbesteuermessbescheide, die auf Beträge von 180 € (2004), 440 € (2005), 515 € (2006) und 810 € (2007) lauteten; die Bescheide standen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der Abgabenordnung --AO--).
In den Jahren 2009 bis 2011 wurde bei der Klägerin eine Außenprüfung durchgeführt. Die Prüfer waren der Ansicht, die KG habe Kosten für Betriebsvorrichtungen und andere bewegliche Wirtschaftsgüter getragen, die zusammen mit der Immobilie an die AG vermietet worden seien. Aus diesem Grund könne die erweiterte Kürzung nicht gewährt werden.
Das FA folgte den Feststellungen der Prüfer und erließ unter dem Datum des 17.02.2012 sowie des 22.02.2012 geänderte Gewerbesteuermessbescheide. Für das Jahr 2004 ergingen wegen der Umwandlung der KG in die Klägerin zwei Bescheide, die auf Beträge von 57.410 € und 10.640 € lauteten. Der die Zeit vor der Umwandlung betreffende Bescheid erging an die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der KG; der darin festgesetzte Messbetrag wurde durch einen weiteren Änderungsbescheid vom 11.07.2012 auf 55.590 € herabgesetzt. Die geänderten Messbeträge für die Folgejahre betrugen 43.320 € (2005), 46.655 € (2006) und 48.780 € (2007).
Gegen die Änderungsbescheide wandte sich die Klägerin mit Einsprüchen. Während des Rechtsbehelfsverfahrens erstattete die AG der Klägerin einen Betrag von 680.299,93 € für "verauslagte Kosten für Betriebsvorrichtungen/Mobilien". Der Einspruch hatte keinen Erfolg, ebenso wenig die anschließend erhobene Klage.
Das Finanzgericht (FG) war der Auffassung, die KG bzw. die Klägerin habe der AG nicht ausschließlich Grundbesitz gegen Entgelt überlassen, sondern darüber hinaus auch Betriebsvorrichtungen und weitere bewegliche Wirtschaftsgüter. Nach Ansicht des FG waren folgende Anlagen/Gegenstände mit den nachstehenden Anschaffungs- und Herstellungskosten als Betriebsvorrichtungen anzusehen:
- Rohrpostanlage
13.500 €
- Bodenbefestigung ...
47.849 €
- Countertheke (...)
5.088 €
- Prospektschrank (...)
5.400 €
- Änderung Prospektschrank
1.843 €
- Countertheke (EG Mittelzone)
4.272 €
- Info-Terminals inklusive Umbau
24.652 €
- Lieferung und Beschriftung im Counterbereich
1.176 €
- Theke Teileverkauf
960 €
Nach Auffassung des FG entrichtete die AG für die Nutzung dieser Wirtschaftsgüter einen anteiligen Mietzins. Die entgeltliche Überlassung der Betriebsvorrichtungen und Mobilien sei abweichend von den ursprünglichen Vereinbarungen und von nachfolgendem Schriftverkehr geduldet und tatsächlich durchgeführt worden. Dies werde auch durch die Aktivierung in den Bilanzen der Klägerin verdeutlicht. Der Umstand, dass der auf Betriebsvorrichtungen und Mobilien entfallende Anteil an den Gebäudekosten weit unter 10 % gelegen habe, führe zu keiner anderen Betrachtung.
Gegen das Urteil des FG wendet sich die Klägerin mit der Revision. Zur Begründung führt sie aus, das FG habe zu Unrecht die im Urteil aufgeführten Gegenstände und Anlagen als Betriebsvorrichtungen beurteilt. Jedenfalls sei die Versagung der erweiterten Kürzung rechtswidrig, da sie unverhältnismäßig sei. Im Streitfall mache der Wert der vom FA beanstandeten Wirtschaftsgüter nur 0,2 % des gesamten Investitionsvolumens aus. Unabhängig hiervon sei die erweiterte Kürzung aufgrund einer normorientierten Auslegung des Merkmals "Verwaltung und Nutzung" zu gewähren. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) seien solche Nebentätigkeiten nicht schädlich, die als zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten eigenen Grundstücksverwaltung und -nutzung angesehen werden könnten.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und
den Gewerbesteuermessbescheid vom 11.07.2012 für die Zeit vom 01.01.2004 bis zum 31.08.2004,
den Bescheid vom 17.02.2012 für die Zeit vom 01.09.2004 bis 31.12.2004,
die Bescheide vom 17.02.2012 für die Jahre 2005 und 2006,
den Bescheid vom 21.08.2013 für das Jahr 2007
sowie die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 26.04.2013 dahingehend zu ändern, dass der Gewerbesteuermessbetrag
für die Zeit vom 01.01.2004 bis 31.08.2004 auf 0 €,
für die Zeit vom 01.09.2004 bis 31.12.2004 auf 180 €,
für das Jahr 2005 auf 440 €,
für das Jahr 2006 auf 515 € und
für das Jahr 2007 auf 810 €
herabgesetzt wird.
Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.Das FA führt zur Begründung aus, das FG habe die Bodenbefestigung zu Recht als Betriebsvorrichtung beurteilt, ebenso die Rohrpostanlage und die Küchenausstattung. Das Tatbestandsmerkmal "ausschließlich" in § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG verbiete es, marginale Mitvermietungen von Betriebsvorrichtungen als unschädlich anzusehen.
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