BFH IV. Senat
GewStG § 2 Abs 1 S 2 , GewStG § 2 Abs 5 , GewStG § 10a , GewStG § 14 , GewStG VZ 2012
vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg , 18. Mai 2017, Az: 1 K 3691/15
Leitsätze
1. Fällt die Unternehmensidentität und damit die sachliche Gewerbesteuerpflicht während des Kalenderjahrs weg, ist der Gewerbesteuermessbetrag für einen abgekürzten Erhebungszeitraum festzusetzen.
2. Ob der bisherige Gewerbebetrieb eingestellt und (ggf.) ein neuer Gewerbebetrieb in Gang gesetzt wird, bestimmt sich danach, ob der "bisherige" und der "neue" Betrieb bei wirtschaftlicher Betrachtung und nach der Verkehrsauffassung identisch sind. Dies richtet sich nach den gleichen Kriterien, die für die Bestimmung der Unternehmensidentität im Rahmen des § 10a GewStG entwickelt wurden. Dabei steht die Überführung wesentlicher Betriebsgrundlagen, insbesondere von Wirtschaftsgütern mit erheblichen stillen Reserven, der Einstellung des "bisherigen" Betriebs nicht entgegen (Änderung der Rechtsprechung).
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 18.05.2017 - 1 K 3691/15 aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht Baden-Württemberg zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten um die Höhe des festzusetzenden Gewerbesteuermessbetrags.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine 1996 gegründete GmbH & Co. KG. Ihre Komplementärin hat keine Kapitaleinlage zu leisten und ist am Ergebnis der Klägerin nicht beteiligt. Kommanditisten waren im Streitjahr 2012 zunächst die F, eine Anstalt des öffentlichen Rechts, und die M, eine rechtsfähige Stiftung. Wirtschaftsjahr ist das Kalenderjahr.
Unternehmensgegenstand der Klägerin war zunächst
"a. der Erwerb, die Errichtung und der Betrieb von Anlagen aller Art zur …;
b. der Erwerb, die Errichtung und der Betrieb von Anlagen aller Art zur …;
c. die Durchführung aller mit den in a. und b. bezeichneten Gegenständen mittelbar oder unmittelbar zusammenhängenden Geschäfte".
Zum 30.10.2012 veräußerten F und M ihre Kommanditanteile an der Klägerin an den Z, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Die Gesellschaftsanteile an der Komplementärin wurden ebenfalls auf Z übertragen.
Nach dem Gesellschafterwechsel wurden die Gesellschaftsverträge der Klägerin und ihrer Komplementärin am 30.11.2012 neu gefasst. Gleichzeitig wurde der Sitz der Klägerin von X nach Y verlegt. Seither ist Gegenstand des Unternehmens die Errichtung, der Betrieb und die Verpachtung von Anlagen aller Art zur …; die Gesellschaft ist zu allen Geschäften und Maßnahmen berechtigt, die mit dem vorstehenden Geschäftszweck technisch oder wirtschaftlich im Zusammenhang stehen oder dienen oder diesem dienlich oder förderlich sind. Die Gesellschaft kann andere Unternehmen gleicher oder verwandter Art gründen, erwerben oder sich an ihnen beteiligen.
Mit Vertrag vom 14.12.2012 verpachtete die Klägerin die Gebäude und Betriebsvorrichtungen des … (Kraftwerk) mit Wirkung zum 01.11.2012 an Z. Das Grundstück, auf dem das Kraftwerk errichtet worden war, steht im Eigentum des Z. Dieser hatte es der Klägerin 1998 mit Erbbaurechtsvertrag überlassen.
Auf den Zeitpunkt des Verkaufs (30.10.2012) hatte die Klägerin einen Zwischenabschluss erstellt.
In ihrer Erklärung zur gesonderten Feststellung des Gewerbeverlustes und zur gesonderten Feststellung des Zuwendungsvortrags 2012 errechnete die Klägerin --ausgehend von einem Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von … € und unter Berücksichtigung des Einheitswerts des Grundbesitzes und von Entgelten für Schulden-- ihren Gewerbeertrag mit … €. Diesen kürzte sie in Höhe eines Betrags von … € um den Verlust, den der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) zum 31.12.2011 mit … € festgestellt hatte. Sodann errechnete sie den Gewerbeertrag nach Verlustabzug mit … € und den Gewerbesteuermessbetrag mit … €. Den abziehbaren Verlust in Höhe von … € hatte sie wie folgt ermittelt:
Verlustabzug
unbeschränkt nach § 10a Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes
in der im Streitjahr geltenden Fassung (GewStG)
1.000.000,00 €
beschränkt nach § 10a Satz 2 GewStG,
60 % von (…,73 ./. 1 Mio.)
… €
… €
Der Betrag von …,73 € setzte sich dabei aus dem steuerlichen Ergebnis (nur) von F und M für die Zeit vom 01.01. bis zum 30.10.2012 sowie aus den auf F und M in dieser Zeit anteilig entfallenden Hinzurechnungen und Kürzungen zusammen.
Das FA setzte den Gewerbeertrag der Klägerin --insoweit der Gewerbesteuererklärung folgend-- im Gewerbesteuermessbescheid 2012 vom 01.07.2014 mit … € an. Diesen kürzte das FA dann jedoch um nur … € und ermittelte so einen Gewerbeertrag nach Verlustabzug in Höhe von … € und einen Gewerbesteuermessbetrag von … €. Den abziehbaren Verlust in Höhe von … € hatte das FA wie folgt ermittelt:
Verlustabzug
unbeschränkt nach § 10a Satz 1 GewStG,
anteilig 10/12 von 1 Mio.
833.334,00 €
beschränkt nach § 10a Satz 2 GewStG,
60 % von (… ./. 833.334)
… €
… €
Am 01.07.2014 ergingen zudem Bescheide für 2012 über die Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags sowie über die gesonderte und einheitliche Feststellung u.a. nach § 35 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Der Einspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 26.11.2014).
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit Urteil vom 18.05.2017 - 1 K 3691/15 ab. Es entschied, dass das FA den Gewerbesteuermessbetrag in zutreffender Höhe festgesetzt habe. Erhebungszeitraum sei das gesamte Kalenderjahr 2012. Der partielle Mitunternehmerwechsel habe auf die persönliche Steuerpflicht der Klägerin keinen Einfluss. Auch die Verpachtung der Gebäude und der Betriebsvorrichtungen des Kraftwerks mit Wirkung ab 01.11.2012 habe die sachliche Steuerpflicht der Klägerin nicht beendet, da die Klägerin eine gewerblich geprägte Personengesellschaft sei, so dass die Verpachtung weiterhin als Gewerbebetrieb anzusehen sei. Im Rahmen der Kürzung des Gewerbeertrags um Gewerbeverluste habe das FA auch zutreffend den Gewerbeertrag für das gesamte Streitjahr unter Saldierung des positiven Gewerbeertrags bis zum Gesellschafterwechsel mit den danach entstandenen Verlusten ermittelt. Auch die nur zeitanteilige Berücksichtigung des Höchstbetrags mit 10/12 von 1 Mio. € sei zutreffend.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
Sie beantragt,
das FG-Urteil aufzuheben und den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag für 2012 vom 01.07.2014, insoweit unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 26.11.2014, dahin zu ändern, dass der Gewerbesteuermessbetrag auf … € festgesetzt wird, und den Bescheid über die Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags für 2012 und den Bescheid für 2012 über die gesonderte und einheitliche Feststellung nach § 35 Abs. 2 EStG, jeweils vom 01.07.2014 und insoweit unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 26.11.2014, dahin zu ändern, dass darin für die Zerlegung und für Zwecke des § 35 Abs. 2 EStG jeweils von einem Gewerbesteuermessbetrag von … € ausgegangen wird.Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
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