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Hinweis: Der Beitrag kann aufgrund neuerer Rechtsprechung oder Gesetztesänderung nicht mehr dem aktuellen Rechtsstand entsprechen.
12 Minuten Lesezeit (2317 Worte)

BFH, 02.08.2018, V R 6/16

  • Urteile

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 02.08.2018, V R 6/16 - Freizeitpark




Umsatzsteuer im Freizeitpark




Leitsätze




Die Steuersatzermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG gilt nicht für ortsgebundene Schaustellungsunternehmen.




Tenor




Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, vom 23. September 2015  14 K 4220/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.




Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.




Tatbestand




I.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betrieb im Streitjahr 2004 einen Freizeitpark mit verschiedenen Themenbereichen. Mit der Zahlung des Eintrittsgelds erwarb der Besucher das Recht, die Einrichtungen des Freizeitparks zu nutzen. ...
Im Anschluss an eine Außenprüfung gab die Klägerin eine geänderte Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr ab, mit der sie geltend machte, dass die Eintrittsberechtigungen teilweise nach dem ermäßigten Umsatzsteuersatz zu versteuern seien. Dem folgte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) nicht. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Nach dem Urteil des Finanzgerichts (FG) ist § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d des Umsatzsteuergesetzes i.d.F. des Streitjahres 2004 (UStG) nicht anzuwenden, da die dort vorausgesetzte Tätigkeit als Schausteller nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) bei dauerhaft ortsfesten Tätigkeiten nicht vorliege. Die Beschränkung der Steuersatzermäßigung auf Leistungen mobiler Schausteller widerspreche nicht dem Neutralitätsgrundsatz in seiner Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH). Es sei auch keine teilweise Anwendung der Steuersatzermäßigung möglich, da eine einheitliche Leistung gegeben sei. Dem Durchschnittsverbraucher komme es gerade auf die Kombination der vielfältigen Leistungsangebote des Freizeitparks an. Die kurze Dauer der Shows und Vorführungen ermögliche es den Besuchern viele unterschiedliche Attraktionen miteinander zu kombinieren. Auch andere Ermäßigungstatbestände wie § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a und b sowie Nr. 10 UStG seien nicht anwendbar.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision. Der ermäßigte Steuersatz sei auch auf Freizeitparks anzuwenden. Die Überlegungen des historischen Gesetzgebers zur Beschränkung des Anwendungsbereichs von § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG seien obsolet. In Frankreich gelte der ermäßigte Steuersatz. Es werde gegen den unionsrechtlichen Gleichheitssatz verstoßen. Die Eintrittsgelder seien zumindest teilweise dem ermäßigten Steuersatz zu unterwerfen. Das FG sei fehlerhaft von einer einheitlichen Leistung ausgegangen. Die getrennte Beurteilung ergebe sich daraus, dass der Leistungsempfänger frei auswähle, welche Leistungen er nutzen wolle. Das FG habe zudem einen Beweisantrag übergangen.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG und die Teileinspruchsentscheidung vom 27. November 2012 aufzuheben und auf die streitbefangenen Umsätze den ermäßigten Steuersatz anzuwenden.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Es liege eine einheitliche Leistung vor, die dem Regelsteuersatz unterliege. Die Eintrittsberechtigung umfasse die Nutzung des gesamten Parks. Die Klägerin sei nicht als Schausteller tätig gewesen. Die nur eingeschränkte Anwendbarkeit des ermäßigten Steuersatzes verstoße nicht gegen das Unionsrecht. Auf die Rechtslage in anderen Mitgliedstaaten komme es nicht an.
Der Senat hat mit Beschluss vom 31. Mai 2017 das Ruhen des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C-463/16 Stadion Amsterdam CV angeordnet und das Verfahren nach dem Ergehen des EuGH-Urteils vom 18. Januar 2018 (EU:C:2018:22) in dieser Rechtssache wieder aufgenommen.
Die Klägerin trägt hierzu vor, dass der EuGH in seinem Urteil Stadion Amsterdam CV (EU:C:2018:22) die Einheitlichkeit der Leistung unterstellt habe. Das nationale Recht habe die unionsrechtlichen Vorgaben zum ermäßigten Steuersatz fehlerhaft umgesetzt. Für eine nur selektive Definition der Schaustellertätigkeit sei kein Raum. § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG knüpfe nicht an die Eintrittsberechtigung für Jahrmärkte an. Die Steuerermäßigung des nationalen Rechts sei bereits vor der unionsrechtlichen Harmonisierung geschaffen worden. Die Einschränkung auf nicht ortsfest erbrachte Schaustellerleistungen beruhe auf rein nationalrechtlichen Erwägungen. Auf eine früher gegebene Neuartigkeit könne heute nicht mehr abgestellt werden. Der Ausschluss von Vergnügungsparks verstoße gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität.
Das FA weist darauf hin, dass der EuGH die Auffassung des FG bestätigt habe.



Entscheidungsgründe




II.
Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin zu einer teilweisen Inanspruchnahme von Steuersatzermäßigungen nicht berechtigt ist.
1. Die Klägerin erbrachte mit der Verschaffung der Eintrittsberechtigung zur allgemeinen Nutzung der Einrichtungen ihres Freizeitparks eine einheitliche Leistung.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH, der sich der BFH angeschlossen hat, ist in der Regel jede Lieferung oder Dienstleistung als eigene, selbständige Leistung zu betrachten. Bei einem Umsatz, der ein Bündel von Einzelleistungen und Handlungen umfasst, ist aber im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu bestimmen, ob zwei oder mehr getrennte Umsätze vorliegen oder ein einheitlicher Umsatz. Dabei sind unter Berücksichtigung eines Durchschnittsverbrauchers die charakteristischen Merkmale des Umsatzes zu ermitteln. Insoweit darf einerseits eine wirtschaftlich einheitliche Leistung nicht künstlich aufgespalten werden. Andererseits sind mehrere formal getrennt erbrachte Einzelumsätze als einheitlicher Umsatz anzusehen, wenn sie nicht selbständig sind. Ein einheitlicher Umsatz ist dabei für zwei Fallgruppen zu bejahen. Zum einen liegt eine einheitliche Leistung vor, wenn eine oder mehrere Einzelleistungen eine Hauptleistung bilden und die andere Einzelleistung oder die anderen Einzelleistungen eine oder mehrere Nebenleistungen bilden, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Eine Leistung ist insbesondere dann Neben- und nicht Hauptleistung, wenn sie für die Kundschaft keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Zum anderen kann sich eine einheitliche Leistung daraus ergeben, dass zwei oder mehrere Handlungen oder Einzelleistungen des Steuerpflichtigen für den Kunden so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv einen einzigen untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang bilden, dessen Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 10. Januar 2013 V R 31/10, BFHE 240, 380, BStBl II 2013, 352, unter II.1.a). Hieran hat sich durch das EuGH-Urteil Stadion Amsterdam CV (EU:C:2018:22) nichts geändert.
b) Das FG hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise entschieden, dass eine einheitliche Leistung vorliegt und bei seiner Entscheidung die vorstehenden Abgrenzungsgrundsätze für die Frage, unter welchen Bedingungen mehrere zusammenhängende Leistungen umsatzsteuerrechtlich als eine Gesamtleistung zu behandeln sind, zugrunde gelegt. Danach ist das FG im Streitfall zu Recht von einer einheitlichen Leistung ausgegangen. Es hat in Anwendung der vorstehenden Grundsätze die Einheitlichkeit der Leistung damit begründet, dass es dem Durchschnittsverbraucher gerade auf die Kombination der durch den Vergnügungspark zusammengefassten Leistungsangebote ankomme. Die kurze Dauer der Einzelattraktionen ermögliche es, diese miteinander zu kombinieren.
c) Die hiergegen gerichteten Einwendungen der Klägerin gegen die revisionsrechtlich nicht zu beanstandende Würdigung durch das FG sind nicht durchgreifend, da sie nur die Möglichkeit einer anderen Würdigung aufzeigen, ohne dass darin eine Rechtsverletzung zu sehen ist.
Im Hinblick darauf, dass die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem FG das Unterbleiben der Beweiserhebung nicht gerügt hat, ist der zudem von ihr geltend gemachte Verfahrensfehler im Revisionsverfahren unbeachtlich. Denn ausweislich der Sitzungsniederschrift hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung keine Beweisanträge gestellt und das Unterbleiben einer Beweiserhebung auch nicht gerügt. Damit hat die Klägerin ihr Rügerecht verloren. Der im finanzgerichtlichen Verfahren geltende Untersuchungsgrundsatz ist eine Verfahrensvorschrift, auf deren Einhaltung ein Beteiligter ausdrücklich oder durch Unterlassen einer Rüge verzichten kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung --ZPO--). Das Unterlassen der rechtzeitigen Rüge hat den endgültigen Rügeverlust zur Folge (z.B. BFH-Urteil vom 16. Januar 2018 VI R 2/16, BFH/NV 2018, 712, unter II.2.d).
2. Auf die von der Klägerin in dieser Weise einheitlich erbrachte Leistung ist nur ein Steuersatz und dabei der Regelsteuersatz nach § 12 Abs. 1 UStG anzuwenden.
a) Wie der EuGH im Urteil Stadion Amsterdam CV (EU:C:2018:22, Rz 36) entschieden hat, bestimmt sich der Steuersatz für die einheitliche Leistung nach ihrem Hauptbestandteil. Danach ist eine einheitliche Leistung, die aus zwei separaten Bestandteilen, einem Haupt- und einem Nebenbestandteil, besteht, für die bei getrennter Erbringung unterschiedliche Mehrwertsteuersätze gelten, nur zu dem für diese einheitliche Leistung geltenden Mehrwertsteuersatz zu besteuern, der sich nach dem Hauptbestandteil richtet, und zwar auch dann, wenn der Preis jedes Bestandteils, der in den vom Verbraucher für die Inanspruchnahme dieser Leistung gezahlten Gesamtpreis einfließt, bestimmt werden kann. Eine nur teilweise Anwendung einer Steuersatzermäßigung kommt somit bei einer einheitlichen Leistung nicht in Betracht.
b) Nach Maßgabe der Hauptbestandteile der von der Klägerin erbrachten Leistung kommt eine Steuersatzermäßigung nur in Betracht, wenn die Klägerin ihre Leistungen als Schausteller i.S. von § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG erbracht hätte, was aber zu verneinen ist.
aa) Nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG ermäßigt sich die Steuer für "die Zirkusvorführungen, die Leistungen aus der Tätigkeit als Schausteller sowie die unmittelbar mit dem Betrieb der zoologischen Gärten verbundenen Umsätze". Bei den Leistungen aus der Tätigkeit als Schausteller handelt es sich gemäß § 30 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) um "Schaustellungen, Musikaufführungen, unterhaltende Vorstellungen oder sonstige Lustbarkeiten auf Jahrmärkten, Volksfesten, Schützenfesten oder ähnlichen Veranstaltungen".
§ 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG beruhte im Streitjahr unionsrechtlich auf Art. 12 i.V.m. Anhang H Kategorie 7 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG, später Art. 98 Abs. 2 i.V.m. Anhang III Kategorie 7 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vm 28. November 2006 über das Mehrwertsteuersystem --MwStSystRL--). Danach konnten die Mitgliedstaaten eine Steuersatzermäßigung zugunsten der "Eintrittsberechtigung für Veranstaltungen, für Theater, Zirkus, Jahrmärkte, Vergnügungsparks, Konzerte, Museen, Tierparks, Kinos und Ausstellungen sowie ähnliche kulturelle Ereignisse und Einrichtungen" anordnen.
Unionsrechtliche Grundlage der Steuersatzermäßigung für die Tätigkeit als Schausteller i.S. von Schaustellungen, Musikaufführungen, unterhaltende Vorstellungen oder sonstige Lustbarkeiten auf Jahrmärkten, Volksfesten, Schützenfesten oder ähnlichen Veranstaltungen ist somit die in Anhang H Kategorie 7 zur Richtlinie 77/388/EWG genannte "Eintrittsberechtigung für ... Jahrmärkte sowie ähnliche ... Einrichtungen". Diese bezieht sich auch auf die Unternehmer, die bei Jahrmärkten und ähnlichen Einrichtungen Leistungen im Rahmen der von ihnen dort betriebenen Schau-, Belustigungs- oder Fahrgeschäfte erbringen (zutreffend Abschn. 12.8 Abs. 2 Satz 7 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses).
bb) Nach der Rechtsprechung des BFH erfasst § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG nur die Schausteller, die ein Reisegewerbe betreiben, nicht aber auch ortsgebundene Schaustellungsunternehmen. Der erkennende Senat hat dies damit begründet, dass ein ortsgebundenes und zeitlich unbeschränkt tätiges Schaustellungsunternehmen nicht als volksfestähnliche Veranstaltung anzusehen sei. Entscheidendes Kriterium ist somit die Begünstigung "des allgemeinen Volksvergnügens auf Volksfesten" (BFH-Urteil vom 22. Oktober 1970 V R 67/70, BFHE 100, 420, BStBl II 1971, 37). Nach der Rechtsprechung des BFH ist der so eingeschränkte Umfang des Begünstigungstatbestandes nicht gleichheitswidrig, da der von Veranstaltung zu Veranstaltung ziehende Schausteller neben Reise- und Beförderungskosten auch einen erhöhten Aufwand zu tragen hat, der durch den Abbau, Aufbau und dem schnelleren Verschleiß von Anlagen entsteht (BFH-Urteil vom 22. Juni 1972 V R 36/71, BFHE 106, 148, BStBl II 1972, 684). Auf dieser Grundlage hat der BFH zuletzt auch die Eintrittsberechtigung zu einem von einer Gemeinde veranstalteten Dorffest als von der Begünstigung erfasst angesehen (BFH-Urteil vom 5. November 2014 XI R 42/12, BFHE 248, 382, BStBl II 2017, 849).
cc) Gegen die Einschränkung des Begünstigungstatbestandes auf Schausteller, die ein Reisegewerbe betreiben unter Ausschluss der ortsgebundenen Schaustellungsunternehmen, bestehen im Hinblick auf das Unionsrecht keine Bedenken.
(1) Es steht dem nationalen Gesetzgeber frei, in den Grenzen des Anhangs H Kategorie 7 zur Richtlinie 77/388/EWG die Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes anzuordnen. Eine Verpflichtung hierzu besteht nicht. Entscheidet sich der nationale Gesetzgeber dafür, den durch die Kategorien des Anhangs H eingeräumten Gesetzgebungsspielraum auszunützen, besteht für ihn keine Verpflichtung, die einzelnen dort genannten Kategorien in ihrer Gesamtheit umzusetzen. Wie der EuGH z.B. zu Anhang III Kategorie 3 und 4 zur MwStSystRL entschieden hat, sind die Mitgliedstaaten berechtigt, auf einige der in Kategorie 3 und 4 aufgeführten Arzneimittel oder medizinischen Geräte einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz anzuwenden und auf andere dieser Arzneimittel oder Geräte den normalen Steuersatz (EuGH-Urteil Oxycure Belgium SA vom 9. März 2017 C-573/15, EU:C:2017:189, Rz 26).
Dementsprechend ist der nationale Gesetzgeber auch befugt, bei Ausübung der Ermächtigung in Anhang H Kategorie 7 der Richtlinie 77/388/EWG die Steuersatzermäßigung auf die Eintrittsberechtigung für Jahrmärkte sowie ähnliche Einrichtungen bei einem gleichzeitigen Ausschluss der in dieser Kategorie auch genannten Vergnügungsparks anzuordnen.
Der nationale Gesetzgeber hat dabei seine Umsetzungsentscheidungen nicht nach Maßgabe der in anderen Mitgliedstaaten bestehenden Rechtslage auszurichten. Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt es somit auf die Rechtslage in Österreich oder Frankreich nicht an, da diese Mitgliedstaaten über die Ausübung der durch die Richtlinie eingeräumten Ermächtigungen eigenständig --und dabei ohne Bindungswirkung für den nationalen Gesetzgeber-- entscheiden.
(2) Darüber hinaus hält sich die Rechtsprechung des BFH, die die Steuersatzermäßigung auf Schausteller, die ein Reisegewerbe betreiben unter Ausschluss der ortsgebundenen Schaustellungsunternehmen beschränkt, an den unionsrechtlich vorgegebenen Rechtsrahmen. Insoweit kommt es auf der Grundlage der EuGH-Rechtsprechung darauf an, ob es sich bei den Leistungen der Schausteller, die ein Reisegewerbe betreiben, um "einen konkreten und spezifischen Aspekt der Dienstleistungen" (vgl. hierzu allgemein EuGH-Urteil Kommission/Frankreich vom 6. Mai 2010 C-94/09, EU:C:2010:253, Rz 34 ff.) handelt, die auf Jahrmärkten oder ähnlichen Einrichtungen erbracht werden. Dies ist im Hinblick auf die gesetzgeberische Zielsetzung einer Begünstigung für das allgemeine Volksvergnügen auf zeitlich beschränkten Volksfesten und Jahrmärkten (s. oben II.2.b bb) zu bejahen.
(3) Es liegt auch kein Verstoß gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität vor. Dieser lässt es nicht zu, gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Waren oder Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln. Dabei ist in erster Linie auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen, wobei künstliche, auf unbedeutenden Unterschieden beruhende Unterscheidungen zu vermeiden sind, so dass zwei Dienstleistungen als gleichartig anzusehen sind, wenn sie ähnliche Eigenschaften haben und beim Verbraucher nach Maßgabe eines Kriteriums der Vergleichbarkeit in der Verwendung denselben Bedürfnissen dienen und wenn die bestehenden Unterschiede die Entscheidung des Durchschnittsverbrauchers, die eine oder die andere dieser Dienstleistungen zu wählen, nicht erheblich beeinflussen. Für die Beurteilung der Vergleichbarkeit von Leistungen ist auch der Kontext zu berücksichtigen, in dem sie erbracht werden (EuGH-Urteil Pro Med Logistik und Pongratz vom 27. Februar 2014 C-454/12 und C-455/12, EU:C:2014:111, Rz 52 ff.).
Können die Mitgliedstaaten bei der Ausübung der ihnen zustehenden Befugnisse auch den Kontext der Leistungserbringung berücksichtigen, bestehen für den erkennenden Senat keine Zweifel, dass der Kontext eines nur temporär und zeitlich beschränkten Volksfestes oder Jahrmarktes entgegen der Auffassung von Huschens in Schwarz/Widmann/Radeisen, UStG § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d Rz 12 insbesondere auch aus Sicht des Leistungsempfängers ein anderer ist, als der bei einem ortsfesten Vergnügungspark. Hierfür spricht auch die sich letztlich bereits aus Anhang H Kategorie 7 zur Richtlinie 77/388/EWG selbst ergebende Differenzierung. Soweit im Hinblick auf die den Mitgliedstaaten durch Art. 98 MwStSystRL eingeräumten Regelungsspielräume die Bindungen aus Art. 3 des Grundgesetzes zu beachten sind (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 22. Juli 2010 V R 4/09, BFHE 231, 260, BStBl II 2013, 590, unter II.4.e bb), ergibt sich aus den vorstehend aufgeführten Gründen auch eine hinreichende Rechtfertigung für die Unterscheidung zwischen reisenden und ortsgebundenen Schaustellern.
3. Danach hat das FG die Klage im Streitfall zur Recht abgewiesen. Bei dem von der Klägerin dauerhaft unterhaltenen Vergnügungspark handelt es sich nicht um einen in seiner zeitlichen Veranstaltungsdauer beschränkten Jahrmarkt.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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