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Hinweis: Der Beitrag kann aufgrund neuerer Rechtsprechung oder Gesetztesänderung nicht mehr dem aktuellen Rechtsstand entsprechen.
16 Minuten Lesezeit (3191 Worte)

BFH, 12.06.2018, VIII R 14/15


BUNDESFINANZHOF Urteil vom 12.6.2018, VIII R 14/15 - 1 %-Regelung




Berechnung des Unterschiedsbetrags gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 3 Halbsatz 1 EStG - 1 %-Regelung




Leitsätze




Der positive Unterschiedsbetrag gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 3 Halbsatz 1 EStG ist bei Anwendung der 1 %-Regelung auch dann unter Ansatz von 0,03 % des inländischen Listenpreises des Fahrzeugs je Kalendermonat zu berechnen, wenn der Steuerpflichtige im Monat durchschnittlich weniger als 15 Fahrten zur Betriebsstätte unternommen hat.




Tenor




Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 27. August 2014  7 K 2207/14 F aufgehoben.




Die Klage wird abgewiesen.




Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.




Tatbestand




I.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) erzielte im Streitjahr (2012) als Steuerberaterin Einkünfte aus selbständiger Arbeit, die gesondert festgestellt wurden. Sie war u.a. als freie Mitarbeiterin in den Kanzleiräumen eines Kollegen tätig.
Die Klägerin unternahm im Streitjahr 85 Fahrten zwischen ihrer Wohnung und der Kanzlei des Kollegen. Die einfache Entfernung von ihrer Wohnung bis dorthin betrug 30 km.
Von Januar bis März des Streitjahres nutzte die Klägerin den PKW 1. Der Listenpreis dieses Fahrzeugs betrug 42.600 EUR. Für den Zeitraum von April bis Dezember des Streitjahres nutzte sie nach der Veräußerung des ersten Fahrzeugs den PKW 2 (Listenpreis in Höhe von 35.000 EUR). Sie führte für beide Fahrzeuge kein Fahrtenbuch.
In der Einnahmenüberschussrechnung für das Streitjahr ermittelte die Klägerin den Entnahmewert für private Fahrten mit den betrieblichen Fahrzeugen nach der 1 %-Methode in Höhe von 4.428 EUR und erfasste diesen Betrag als Betriebseinnahme. Ihr entstanden im Streitjahr Fahrzeugkosten ohne Abschreibungen und Zinsen (Zeile 54 der Anlage EÜR) in Höhe von 6.035,60 EUR, die sie als Betriebsausgaben geltend machte. Die für die Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte abzugsfähigen Betriebsausgaben ermittelte die Klägerin in Zeile 55 der Anlage EÜR für beide Fahrzeuge nicht durch Multiplikation des gesetzlichen Faktors 0,03 % mit dem Listenpreis und der einfachen Wegstrecke zur Betriebsstätte. Stattdessen setzte sie einen Betrag in Höhe von 1.861,50 EUR an, der sich ergab, indem sie jeweils den Listenpreis des genutzten Fahrzeugs mit dem Faktor 0,002 %, den gefahrenen Tagen und den Entfernungskilometern multiplizierte. Die Entfernungspauschale betrug für Fahrten an 85 Tagen und bei einer einfachen Entfernung von 30 km zur Betriebsstätte 765 EUR (Zeile 56 der Anlage EÜR). Die Klägerin rechnete daher im Ergebnis dem Gewinn einen Unterschiedsbetrag gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr anzuwendenden Fassung (EStG) in Höhe von 1.096,50 EUR (1.861,50 EUR ./. 765 EUR) hinzu.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) folgte dem im gesonderten Feststellungsbescheid für das Streitjahr vom 28. Januar 2014 nicht. Es ermittelte einen Unterschiedsbetrag in Höhe von 3.220,20 EUR, den es dem Gewinn hinzurechnete. Für den Zeitraum von Januar bis März des Streitjahres multiplizierte das FA den Listenpreis des PKW 1 (42.600 EUR) mit dem Faktor 0,03 % und der einfachen Wegstrecke von 30 km (Ergebnis: 1.150,20 EUR). Für den Zeitraum April bis Dezember des Streitjahres multiplizierte es den Listenpreis des PKW 2 (35.000 EUR) ebenfalls mit dem Faktor 0,03 % und der einfachen Wegstrecke (Ergebnis: 2.835 EUR). Davon zog es den als Entfernungspauschale ermittelten Betrag in Höhe von 765 EUR ab.
Der hiergegen gerichtete Einspruch der Klägerin blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) gab der anschließend erhobenen Klage mit Urteil vom 27. August 2014  7 K 2207/14 F statt. Die Entscheidung ist nicht veröffentlicht.
Mit seiner Revision macht das FA eine Verletzung materiellen Bundesrechts in Gestalt des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 3 EStG geltend. Der Wortlaut der Vorschrift stehe der Auslegung des FG entgegen. Der Steuerpflichtige könne die typisierende Berechnung nach dem Gesetz nur vermeiden, wenn er ein Fahrtenbuch führe.
Es bestehe kein Bedürfnis für eine teleologische Reduktion des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Sätze 1 bis 3 EStG, wie der VI. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) sie zur Ermittlung des Zuschlags gemäß § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG vorgenommen habe. Die Gleichbehandlung eines Einnahmenüberschuss-Rechners (Gewinnermittlers) und eines Arbeitnehmers, der an weniger als 15 Tagen des Monats die feste Arbeits- oder Betriebsstätte aufsuche, sei insoweit nicht geboten. Die durch die Verwaltung und Rechtsprechung für Arbeitnehmer anerkannte ausnahmsweise fahrtenbezogene Berechnung des Zuschlags gemäß § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG solle allein gewährleisten, dass es durch die Pauschalierung nicht zum Ansatz zusätzlicher Einnahmen des Arbeitnehmers für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte komme. Diese Gefahr stelle sich beim Gewinnermittler, der sämtliche Betriebsausgaben für Wege zwischen Wohnung und Betriebsstätte abziehen könne und dessen abzugsfähige Aufwendungen lediglich in Höhe des Unterschiedsbetrags gekürzt würden, nicht.
Das FA beantragt sinngemäß,

das angefochtene Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.



Entscheidungsgründe




II.
Die Revision des FA ist begründet.
Das FG hat zu Unrecht eine Ermittlung des Hinzurechnungsbetrags gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 3 Halbsatz 1 EStG im Streitjahr in der Weise für zulässig erachtet, dass der Listenpreis des genutzten Fahrzeugs unter Ansatz eines Faktors von 0,002 % mit der Anzahl der Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte und den Entfernungskilometern multipliziert und hiervon der Betrag der Entfernungspauschale abgezogen wird.
Die Sache ist auch spruchreif. Die Vorentscheidung wird aufgehoben und die Klage abgewiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Fahrten eines Gewinnermittlers zwischen Wohnung und Betriebsstätte zählen zu dessen betrieblichen Fahrten (BFH-Beschluss vom 20. August 2015 III B 108/14, BFH/NV 2015, 1575, Rz 11, m.w.N.). Die mit diesen Fahrten zusammenhängenden Aufwendungen sind gemäß § 4 Abs. 4 EStG grundsätzlich als Betriebsausgaben abzugsfähig.
2. Gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 EStG dürfen die Aufwendungen für die Wege des Steuerpflichtigen zwischen Wohnung und Betriebsstätte abweichend vom Grundsatz unter II.1. den Gewinn nicht mindern, soweit in den folgenden Sätzen der Vorschrift nichts anderes bestimmt ist.
Werden die Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte mit einem zu mehr als 50 % betrieblich genutzten Kfz zurückgelegt, dessen Privatnutzung pauschal nach der sog. 1 %-Regelung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG zu besteuern ist, dürfen aufgrund der Rückausnahme des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 3 Halbsatz 1 EStG Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte den Gewinn nicht mindern, soweit sich ein positiver Unterschiedsbetrag zwischen 0,03 % des inländischen Listenpreises i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG des Kfz im Zeitpunkt der Erstzulassung je Kalendermonat für jeden Entfernungskilometer und dem sich nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG (der Entfernungspauschale) ergebenden Betrag ergibt. Ermittelt der Steuerpflichtige den Entnahmewert für die private Nutzung des Kfz nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 oder Satz 3 EStG nach der sog. Fahrtenbuchmethode, treten gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 3 Halbsatz 2 EStG an die Stelle des mit 0,03 % des inländischen Listenpreises ermittelten Betrags für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte die auf diese Fahrten entfallenden tatsächlichen Aufwendungen.
Zweck dieser Gewinnzurechnungen gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 3 EStG ist, dass Gewinnermittler für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte nicht mehr als die nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG pro Entfernungskilometer zu berücksichtigenden Beträge abziehen können. Dies wird technisch über ein Betriebsausgabenabzugsverbot erreicht, das die Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht zum Abzug zulässt, soweit diese die nach der Entfernungspauschale abzugsfähigen Beträge übersteigen (BFH-Entscheidungen vom 12. Juni 2002 XI R 55/01, BFHE 199, 342, BStBl II 2002, 751; vom 22. September 2010 VI R 57/09, BFHE 231, 139, BStBl II 2011, 359, Rz 15; in BFH/NV 2015, 1575, Rz 12). Die Gewinnzurechnung tritt neben die mit der 1 %-Regelung nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG besteuerte Privatnutzung des Kfz (BFH-Beschluss in BFH/NV 2015, 1575, Rz 11, m.w.N.).
a) Der Senat geht mit den Beteiligten davon aus, dass im Streitfall ein positiver Unterschiedsbetrag gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 3 Halbsatz 1 EStG zu ermitteln ist.
aa) Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Fahrzeuge 1 und 2 im Streitjahr jeweils zu mehr als 50 % betrieblich genutzt wurden und zum (notwendigen) freiberuflichen Betriebsvermögen der Klägerin gehörten. Die Klägerin hat für ihre Privatfahrten zutreffend eine pauschale Betriebseinnahme (Entnahme) nach Maßgabe der sog. 1 %-Regelung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG in Höhe von 4.428 EUR in der Gewinnermittlung erfasst (s. zur Anwendung und Rechtfertigung der 1 %-Regelung BFH-Urteil vom 9. November 2017 III R 20/16, BFHE 260, 113, BStBl II 2018, 278, Rz 11 bis 14).
bb) Es ist zwischen den Beteiligten ferner unstreitig und bedarf hier keiner besonderen Vertiefung, dass es sich bei der Kanzlei des Kollegen um die Betriebsstätte der Klägerin i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 EStG handelte.
Nach der im Streitjahr noch geltenden Begriffsbestimmung --vor den Änderungen durch die Neuordnung des steuerlichen Reisekostenrechts ab dem Veranlagungszeitraum 2014 durch das Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20. Februar 2013 (BStBl I 2013, 188)-- ist der Begriff der Betriebsstätte schon wegen der Verweisung in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 2 EStG auf die Regelung in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG gleichermaßen wie der dort für Arbeitnehmer verwendete Begriff der "Arbeitsstätte" dadurch gekennzeichnet, dass er eine ortsfeste dauerhafte betriebliche Einrichtung voraussetzt, die der Steuerpflichtige nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit, d.h. fortdauernd und immer wieder zur Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit aufsucht; dies erfordert, den ortsgebundenen Mittelpunkt der dauerhaft angelegten Tätigkeit zu bestimmen (BFH-Urteile vom 29. April 2014 VIII R 33/10, BFHE 246, 53, BStBl II 2014, 777, Rz 27, 28; vom 23. Oktober 2014 III R 19/13, BFHE 248, 1, BStBl II 2015, 323, Rz 12).
Dieser Ort lag im Streitjahr nach der übereinstimmenden Sichtweise der Beteiligten und des FG am Kanzleisitz des Kollegen, für den die Klägerin als freie Mitarbeiterin tätig war. Soweit die Klägerin nach den Feststellungen des FG auch eigene Mandanten unmittelbar an deren Betriebssitzen betreut hat, handelte es sich bei diesen nach dem Verständnis des FG und der Beteiligten jeweils nicht um die "Betriebsstätte" der Klägerin gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 EStG.
b) Entgegen der Auffassung des FG ist im Streitfall der Hinzurechnungsbetrag gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 3 Halbsatz 1 EStG für jeden Kalendermonat so zu ermitteln, dass der gesetzliche Faktor von 0,03 % mit dem Listenpreis des Fahrzeugs und den Entfernungskilometern multipliziert und hiervon der Betrag der Entfernungspauschale abgezogen wird. Eine teleologische Reduktion der Regelung ist --auch im Hinblick auf die abweichende Auslegung des § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG durch den VI. Senat des BFH-- nicht geboten.
aa) Bei Arbeitnehmern gelten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit einem betrieblichen Fahrzeug des Arbeitgebers die folgenden Grundsätze.
aaa) Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG führt die Überlassung eines betrieblichen PKW des Arbeitgebers zur privaten Nutzung zu Arbeitslohn gemäß § 19 EStG, der nach § 8 Abs. 2 Sätze 2 bis 5 EStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG entweder nach der 1 %-Regelung oder nach der Fahrtenbuchmethode zu bewerten ist (BFH-Urteil vom 30. November 2016 VI R 2/15, BFHE 256, 116, BStBl II 2017, 1014, Rz 11, m.w.N.).
bbb) Kann das Kfz auch für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genutzt werden, erhöht sich der aufgrund der Überlassung des Fahrzeugs zur Privatnutzung anzusetzende Arbeitslohn gemäß § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG für jeden Kalendermonat um 0,03 % des Listenpreises i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG für jeden Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Der Zuschlag gemäß § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG stellt einen Korrekturposten für den pauschalen Werbungskostenabzug des Arbeitnehmers nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG dar (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 4. April 2008 VI R 68/05, BFHE 221, 17, BStBl II 2008, 890; in BFHE 231, 139, BStBl II 2011, 359). Denn soweit vom Arbeitnehmer Werbungskosten für Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abgezogen werden, handelt es sich wegen der Kostentragung des Arbeitgebers für den Dienstwagen um den Arbeitnehmer tatsächlich nicht belastende Aufwendungen. Ein --weiterer-- geldwerter Vorteil für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte wird durch den Zuschlag nach § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG hingegen nicht erfasst, da eine private Nutzung des Dienstwagens mit unterschiedlicher Intensität (für reine Privatfahrten zum einen und für gemischt veranlasste Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zum anderen) nicht vorstellbar ist (BFH-Urteile in BFHE 221, 17, BStBl II 2008, 890; in BFHE 231, 139, BStBl II 2011, 359).
ccc) Die pauschale Ermittlung des Korrekturbetrags gemäß § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG mit dem Faktor 0,03 % je Kalendermonat und Entfernungskilometer ist nach der gefestigten Rechtsprechung des VI. Senats des BFH aber nur gerechtfertigt, soweit sie die dem Werbungskostenabzug nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG zugrundeliegende Typisierung folgerichtig umsetzt und nachvollzieht. Der Faktor 0,03 %, auf den § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG abstellt, geht von einer durchschnittlichen Anzahl von 15 Fahrten je Monat zur ersten Arbeitsstätte aus. Bei einer deutlich geringeren Anzahl von Fahrten steht nach der Rechtsprechung des VI. Senats des BFH die pauschalierende Ermittlung des Korrekturbetrags im Widerspruch zur Grundannahme der für die Ausgabenseite geltenden Pauschalierung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG nach der Entfernungspauschale, die eine fahrtenbezogene Ermittlung des Werbungskostenabzugs vorsieht und durch den Zuschlag des § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG korrigiert werden soll. Wird der Dienstwagen in erheblich geringerem Umfang für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genutzt, hängt die Höhe des Zuschlags gemäß § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG von der Anzahl der tatsächlich durchgeführten Fahrten ab. Zur Ermittlung des Korrekturbetrags ist in diesen Fällen eine Einzelbewertung der Fahrten mit 0,002 % des Listenpreises i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG je Entfernungskilometer vorzunehmen. Eine taggenaue Ermittlung hat der VI. Senat des BFH bislang bejaht, wenn ein Arbeitnehmer ein dienstliches Kfz nur einmal pro Woche für Fahrten zur Arbeit nutzt (BFH-Entscheidungen vom 4. April 2008 VI R 85/04, BFHE 221, 11, BStBl II 2008, 887; in BFHE 221, 17, BStBl II 2008, 890; vom 31. Januar 2011 VI B 130/10, BFH/NV 2010, 792). Dem folgt die Finanzverwaltung mit einer noch weitergehenden Regelung (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 1. April 2011 IV C 5–S 2334/08/10010, BStBl I 2011, 301, unter 2.2, für die Jahre ab 2011).
bb) Eine Übertragung dieser Rechtsprechung des VI. Senats des BFH auf die Regelung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 3 Halbsatz 1 EStG kommt nicht in Betracht.
aaa) Nach dem unmissverständlichen Gesetzeswortlaut ist der Unterschiedsbetrag für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte unabhängig von der Anzahl der getätigten Fahrten mit dem Faktor "0,03 %" des Listenpreises je Kalendermonat und Entfernungskilometer zu ermitteln. Für eine fahrtenbezogene Ermittlung i.S. der Rechtsprechung des VI. Senats des BFH lässt das Gesetz keinen Raum. Es handelt sich bei der für Fahrzeuge des notwendigen Betriebsvermögens anzuwendenden 1 %-Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG um eine grundsätzlich zwingende, grob typisierende und pauschalierende Bewertungsregelung, die nur dann nicht gilt, wenn der Steuerpflichtige von dem in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG vorgesehenen Wahlrecht Gebrauch macht und die für das Kfz insgesamt entstehenden Aufwendungen durch Belege und das Verhältnis der privaten zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachweist (BFH-Urteil in BFHE 260, 113, BStBl II 2018, 278, Rz 11, 16). Dies gilt auch für die Ermittlung des Kürzungsbetrags gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 3 Halbsatz 1 EStG, die gleichermaßen pauschalierend und typisierend ausgestaltet ist. Um die pauschale Ermittlung nichtabzugsfähiger Betriebsausgaben mit 0,03 % des Listenpreises für Wegeaufwendungen zwischen Wohnung und Betriebsstätte zu vermeiden, räumt das Gesetz dem Steuerpflichtigen in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 3 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG nur die Möglichkeit ein, ein Fahrtenbuch zu führen (s. FG Düsseldorf, Urteil vom 24. Juli 2014  11 K 1586/13 F, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2014, 1770; BMF-Schreiben vom 18. November 2009 IV C 6-S 2177/07/10004, BStBl I 2009, 1326, Rz 8; Blümich/Wied, § 4 EStG Rz 813; Schmidt/Loschelder, EStG, 37. Aufl., § 4 Rz 584; Meyer in Beck'scher Online-Kommentar EStG, § 4 Rz 2767.7; Spilker, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rz L 56; wohl auch Bode in Kirchhof, EStG, 17. Aufl., § 4 Rz 212; für eine taggenaue Ermittlung beim Gewinnermittler wie im Rahmen des § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG hingegen Schober in Herrmann/Heuer/Raupach, § 4 EStG Rz 1372; Schiffers/Köster/Rindelaub, eKommentar Stollfuß EStG, § 4 Rz 200; Seifert in Korn, § 4 EStG Rz 1037.1; Hallerbach in Kanzler/Kraft/Bäuml/Marx/Hechtner, EStG, 3. Aufl., § 4 Rz 711).
bbb) Der Senat hat auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich dieser Gesetzeslage. Der pauschalierenden Ermittlung des Hinzurechnungsbetrags in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 3 Halbsatz 1 EStG liegt die Annahme zugrunde, dass der Steuerpflichtige die Betriebsstätte durchschnittlich an mindestens 15 Tagen je Monat aufsucht. Der gesetzlichen Typisierung und Pauschalierung liegt damit als Leitbild kein atypischer Fall zugrunde, sondern die Regelung orientiert sich realitätsgerecht an einem typischen Fall. Angesichts der vielfältigen Lebenssachverhalte, die die Abzugsbeschränkung erfasst, des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers und der Möglichkeit, Nachteile durch das Führen eines Fahrtenbuchs vermeiden zu können, erweist sich die Regelung damit als verfassungskonform (vgl. zu den verfassungsrechtlichen Maßstäben der Typisierungs- und Pauschalierungsbefugnis Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 29. März 2017  2 BvL 6/11, BVerfGE 145, 106, Rz 127; vom 6. Juli 2010  2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268, Rz 46 bis 48).
ccc) Eine teleologische Reduktion der Regelung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 3 Halbsatz 1 EStG nach dem Vorbild des § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG, wenn die Betriebsstätte an deutlich weniger als 15 Tagen im Monat aufgesucht wird, hält der Senat angesichts dessen nicht für zulässig.
(1) Eine teleologische Reduktion zielt darauf ab, den Geltungsbereich einer Norm mit Rücksicht auf ihren Gesetzeszweck gegenüber dem zu weit gefassten Wortlaut einzuschränken (BFH-Urteile vom 20. März 2003 IV R 42/00, BFHE 202, 438, BStBl II 2003, 798; vom 4. Dezember 2001 III R 47/00, BFHE 197, 233, BStBl II 2002, 195; vom 20. November 2006 VIII R 47/05, BFHE 216, 103, BStBl II 2008, 69). Gegenüber einer vom Wortlaut einer Rechtsnorm abweichenden Auslegung ist allerdings besondere Zurückhaltung geboten; sie kann nur in Betracht kommen, wenn die auf den Wortlaut abgestellte Auslegung zu einem sinnwidrigen Ergebnis führen würde. Dagegen ist es nicht Aufgabe einer lückenfüllenden Interpretation --zu der auch die teleologische Reduktion gehört--, rechtspolitische Fehler zu korrigieren, d.h. das Gesetz zu verbessern, obwohl es sich --gemessen an seinem Zweck-- noch nicht als planwidrig unvollständig oder zu weitgehend erweist (BFH-Urteil vom 7. April 1992 VIII R 79/88, BFHE 168, 111, BStBl II 1992, 786, Rz 32, m.w.N.).
(2) Die Anwendung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 3 Halbsatz 1 EStG führt aber nicht zu sinnwidrigen Ergebnissen, wenn sie auch in Fällen angewendet wird, in denen der Steuerpflichtige die Betriebsstätte in einem Kalendermonat an deutlich weniger als 15 Tagen aufsucht.
Der Senat verkennt nicht, dass es sich bei den Regelungen in § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG und § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 3 EStG im Kern um vergleichbare Werbungskosten- und Betriebsausgabenabzugsverbote handelt (BFH-Urteil in BFHE 231, 139, BStBl II 2011, 359, Rz 14 ff.). Schließlich wird --aufgrund der für den Unterhalt des Fahrzeugs unabhängig von der Laufleistung anfallenden Gesamtkosten-- bei Ansatz des Faktors 0,03 % die Differenz zwischen dem Betrag der Entfernungspauschale und dem Betrag der nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben umso größer, je weniger Fahrten im Monat unternommen werden; sie wird hingegen umso kleiner, je mehr Fahrten unternommen werden. Sachlich richtig wäre es aber, wenn der nichtabzugsfähige Teil der Kosten geringer würde, je weniger Fahrten unternommen werden (Frotscher/Watrin in Frotscher/Geurts, EStG, § 4 Rz 750).
Gleichwohl sind die unter II.2.b bb ccc (1) dargelegten Voraussetzungen für eine teleologische Reduktion nicht gegeben. Denn für Gewinnermittler, die ohnehin Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten unterliegen (vgl. z.B. zur Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 EStG BFH-Urteile vom 12. Dezember 2017 VIII R 5/14, BFH/NV 2018, 602; VIII R 6/14, BFH/NV 2018, 606), ist es weder unverhältnismäßig noch unzumutbar, die Führung eines Fahrtenbuches zu verlangen, um die Nachteile der pauschalen Betriebsausgabenkürzung in Höhe von 0,03 % des Listenpreises pro Monat und Entfernungskilometer zu vermeiden, die sich bei weniger als 15 monatlichen Fahrten von der Wohnung zur Betriebsstätte ergeben. Dies gilt auch, obwohl in diesem Fall die Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch insgesamt zu erfüllen sind und das Wahlrecht zur Fahrtenbuchmethode einheitlich auszuüben ist (s. auch FG Düsseldorf, Urteil in EFG 2014, 1770, Rz 42; andere Auffassung zur Regelung des § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG für Arbeitnehmer BFH-Urteil in BFHE 221, 17, BStBl II 2008, 890, unter 2.e). Da der Steuerpflichtige dieses gesetzliche Wahlrecht hat, stellen sich bei der Anwendung des Gesetzes keine sinnwidrigen Ergebnisse ein und es bedarf keiner lückenfüllenden Ergänzung des Gesetzes durch den Senat.
3. Die Sache ist auch spruchreif. Der Kürzungsbetrag gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 3 Halbsatz 1 EStG ist vom FA im Feststellungsbescheid für das Streitjahr vom 28. Januar 2014 in Höhe von 3.220,20 EUR und der Gewinn des Streitjahres damit zutreffend in Höhe von 35.107 EUR gesondert festgestellt worden. Der angefochtene Feststellungsbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die Klage ist abzuweisen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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