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Hinweis: Der Beitrag kann aufgrund neuerer Rechtsprechung oder Gesetztesänderung nicht mehr dem aktuellen Rechtsstand entsprechen.
4 Minuten Lesezeit (832 Worte)

BFH, 26.7.2012, VI R 30/09

Das Finanzgericht Niedersachsen entschied in einem Urteile (23.01.2013, 3 K 12326/12), dass für die Gewährung des steuerlichen Entlastungsbetrages für Alleinerziehende die wirklichen Verhältnisse maßgeblich sind.

Im geurteilten Fall erhielt der alleinerziehende Vater keinen Entlastungsbetrag, da seine Tochter zwar in seinem Haushalt gemeldet war, jedoch in Wahrheit eine andere Wohnung bewohnte.

Das Finanzgericht führte aus, dass es nicht richtig sei, dass ein melderechtlich unzulässiger Sachverhalt steuerliche Begünstigungen nach sich ziehen kann.

Das Gericht führte hierzu aus: "... Gem. § 24b Abs. 1 Satz 1 EStG können alleinstehende Steuerpflichtige einen Entlastungsbetrag in Höhe von 1.308,- € im Kalenderjahr von der Summe der Einkünfte abziehen, wenn zu ihrem Haushalt mindestens ein Kind gehört, für das ihnen ein Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG oder Kindergeld zusteht. Die Zugehörigkeit zum Haushalt ist gem. § 24b Abs. 1 Satz 2 EStG anzunehmen, wenn das Kind in der Wohnung des allein stehenden Steuerpflichtigen gemeldet ist.
Allein stehend im Sinne des § 24b Abs. 1 EStG sind nach § 24b Abs. 2 EStG Steuer-pflichtige, die nicht die Voraussetzungen für die Anwendung des Splitting-Verfahrens er-füllen oder verwitwet sind und keine Haushaltsgemeinschaft mit einer anderen volljährigen Person bilden. Ist die andere Person mit Haupt- oder Nebenwohnsitz in der Wohnung des Steuerpflichtigen gemeldet, wird vermutet, dass sie mit dem Steuerpflichtigen gemeinsam wirtschaftet (Haushaltsgemeinschaft). Diese Vermutung ist widerlegbar, es sei denn, der Steuerpflichtige und die andere Person leben in einer eheähnlichen Gemeinschaft oder in einer eingetragenen Lebensgemeinschaft (§ 24b Abs. 2 Sätze 2 und 3).
In der Literatur wird kontrovers beurteilt, ob die Meldung des Kindes in der Wohnung des Steuerpflichtigen gem. § 24b Abs. 1 Satz 2 EStG eine unwiderlegliche Vermutung der Haushaltszugehörigkeit begründet oder nicht. Blümich-Selder, Kommentar zum EStG, § 24b Rn. 23 und Schmidt-Loschelder, EStG, § 24b Rn. 12 bejahen dies und meinen, dass sich die Finanzbehörde allein an die Meldung zu halten habe. Von Proff zu Irnich, DStR 2004, 1904 (1907) sieht in der Meldung sogar einen Grundlagenbescheid im Sinne des § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO. Demgegenüber betonen Littmann/Bitz/Pust-Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 24b Rn. 41 und Kirchhof/Söhn/Meincke-Jachmann/Henschler, Kommentar zum EStG, § 24b B4, dass die Wohnsitzmeldung dann keine Indizwirkung entfalte, wenn die Meldung nicht den tatsächlichen Verhältnissen entspreche. Frotscher-Dürr, EStG, § 24b Rn. 10 und Warnke, EStB 2004, 248 (250) betonen, dass die melderechtlichen Verhältnisse überprüfbar seien bzw. die Finanzbehörde den Gegenbeweis führen könne, dass das Kind dem Haushalt nicht zugehörig sei. Herrmann/Heuer/Raupach-Krömer, EStG, § 24b Rn. 11 misst § 24b Abs. 1 Satz 2 EStG Beweisfunktion zu; die Meldung entfalte keine Bindung, wenn sie nachweisbar nicht den tatsächlichen Verhältnissen entspreche.
Der erkennende Senat sieht in § 24b Abs. 1 Satz 2 EStG eine Beweislastregel. Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende bewirkt eine Steuerminderung, so dass grundsätzlich der Steuerpflichtige nach allgemeinen Beweislastregeln das Vorliegen der Voraussetzungen des Entlastungsbetrages darzutun hat. Dies würde ohne § 24b Abs. 1 Satz 2 EStG auch für die Haushaltszugehörigkeit gelten. § 24b Abs. 1 Satz 2 EStG kehrt die Beweislast um, so dass bei Meldung des Kindes im Haushalt des Steuerpflichtigen bis zum Beweis des Gegenteils von einer Haushaltszugehörigkeit des Kindes auszugehen ist. Da die Tochter I - wie von Klägerseite nicht bestritten wird - nicht in der Wohnung P, G-str. lebt, ist die Vermutung der Haushaltszugehörigkeit widerlegt.
Dass das Gesetz von keiner durch die Meldung bei der Meldebehörde bewirkten unwiderleglichen Vermutung der Haushaltszugehörigkeit ausgeht, ist § 24b Abs. 2 Sätze 2 und 3 EStG zu entnehmen, wo ausdrücklich klargestellt wird, dass die Vermutung der Haushaltszugehörigkeit einer für diese Wohnung gemeldeten Person widerlegbar ist. Gegen die Annahme einer durch die Meldung bewirkten unwiderleglichen Vermutung der Haushaltszugehörigkeit spricht auch, dass dies im Widerspruch zu den melderechtlichen Vorschriften stehen würde.
Gem. § 9 Abs. 1 Niedersächsisches Meldegesetz (NMG) hat, wer eine Wohnung bezieht, sich innerhalb einer Woche bei der Meldebehörde anzumelden. Wer aus einer Wohnung auszieht und keine neue Wohnung im Inland bezieht, hat sich innerhalb einer Woche nach dem Auszug bei der Meldebehörde abzumelden (§ 9 Abs. 2 NMG). Gem. § 37 Abs. 1 Nr. 2 Niedersächsisches Meldegesetz handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig sich für eine Wohnung anmeldet, die sie oder er nicht bezieht oder sich aus einer Wohnung abmeldet, in der sie oder er weiterhin wohnt. Daraus folgt, dass ein Verhalten wie das der Tochter - Meldung unter einer Anschrift, obwohl sie dort keine Wohnung innehat - gegen die melderechtlichen Pflichten verstößt...
... Schließlich hat auch das Bundesverfassungsgericht in dem Beschluss vom 22. Mai 2009 2 BvR 310/07, BFH/NV 2009, 3019 ausgeführt, dass die Rechtsnorm des § 24b EStG deshalb kein strukturelles Vollzugsdefizit aufweisen würde, weil das Besteuerungsverfahren nicht strukturell gegenläufig zum Entlastungstatbestand ausgestattet sei; die Finanzbehörde sei durch das Gesetz nicht gehindert, den Sachverhalt aufzuklären und insoweit nicht an den Inhalt des Melderegisters gebunden. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass eine Gesetzesauslegung, die unabhängig vom materiellen Vorliegen des Entlastungstatbestandes des § 24b EStG nur an dem formellen Kriterium der Meldung anknüpfen würde, mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 GG nicht in Einklang stünde..."
cpm - Steuerberater Claas-Peter Müller, Hamburg

 
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